Januar 20, 2009

Jerusalem


Bisweilen sind wir sichtbar, bisweilen verborgen,
bisweilen Muslime, Christen oder Juden;
wir durchlaufen viele Formen, bis unser Herz
Zufluchtsstätte für alle wird.
Rumi

Vor langer Zeit machte ich auch die Reise nach Jerusalem. Es war eine Zeit, die vielleicht die friedlichste in seiner Geschichte war. Es war Ostern, Passah und Ramadan zugleich. Dort in einer der Ecken sah ich zum ersten
Mal Murat Tchundyk ein Bastardkind, der kleine Auarelle(siehe oben)für Touristen malte und verkaufte. Ein Bastardkind! Warum, weil er Enkel eines galizisch jüdischen Grossvaters und einer muslimisch ukrainischen Grossmutter ist und auf der anderen Seite antisemitische Christen, alles liebe Leute, die er irgendwie auch in seine Seele integrieren musste. Auf meine Frage was er als Uribier hier in Jerusalem suchte, deutete er nur hinunter zur Klagemauer, auf die Grabeskirche und auf die Al - Aqsa Moschee, wo Mohammeds Pferd einen Abdruck von einem seiner Hufe hinterliess. " Here I finally hava my family togetha, some canna go to God on Wood and pray, some canna go to Mohammeds Horse writing and some canna shokelen at the Wailing Wall. This is what I calla a desicion Solomon woulda hava made." Dann gingen wir ein bisschen shokelen und wir steckten Zettel in die Mauer.
Danach gingen wir ein wenig in die Moschee und schauten den Schwalben zu wie sie ins Gotteshaus rein und wieder rausflogen. In der Grabeskirche dann atmeten wir den schweren süssen Duft des Weihrauchs ein und lauschten den griechisch-orthodoxen Gesängen. Ein paar Tage später gingen wir auf den Sinai, dort fanden wir Mat Gundo wie er versuchte durch schiere Konzentration Büsche zum Brennen zu bringen. Ja und in Tel Aviv trafen wir Moslim in einem gemischten Saunaclub. Wir Vier atmeten den Duft der Mandelbäume ein und besuchten die Höhle in Engedi wo David seine wunderbaren Psalme schrieb und rochen zum erstenmal Leopardenscheisse.
Ich ging nie wieder zurück. Das was ich in den Jahren danach im Fernsehen und von meinen Freunden aus Israel hörte, bewog mich nicht mehr zurück zu kehren. Ich glaube es fing an mit dem Baruch Goldstein Massacre. Als dann auch noch Rabin durch einen eigenen Landsmann getötet wurde, kippte die Stimmung im Land. Die religiöse Rechte Israels übernahm die Regierungsgeschäfte, Ariel Sharon erlöste dann das Land von den Selbstmordattentäter und den fanatisierten Islamisten, die zu Hauf nach Israel kamen und vielleicht im Attentat am Seder Abend in Netanya 2002 ihre gruseligsten Erfolge erzielten, durch den Bau eines Anti Arabischen Schutzwalls Jahre später.
Nach dem 11. September ist alles anders geworden. Mir fehlten die Worte, als aussenstehender und noch dazu als Deutscher, für irgendwelchen Wahnsinn, für irgendwelche Religion, Nation oder Volk Partei zu ergreifen. Peinlich waren die Aussagen von deutschen Politikern wie Möllemann und Karsli, die Jenin die Vergeltungsaktion Ariel Sharons mit dem Holocaust verglichen. In Jenin hat es nie Gaskammern gegeben oder die Antisemiten, die für Palästina das Wort ergriffen und sich hinter den Masken der Gutmenschen versteckten. Am Schlimmsten war es aber als mir ein iranischer Student auf die Schultern klopfte und sagte Ausschwitz war nicht das Schlechteste was Deutschland produzierte.
Ich habe erst wieder die Worte gefunden, als ich ein Buch las, das diesen Konflikt in meiner Seele beschrieb, den man als Deutscher zum gelobten Land hat. Margret Greiner eine Lehrerin die für ein Jahr in Jerusalem mit ihrem Mann lebte und in Ost Jerusalem in einer palästinensischen Mädchen Schule unterrichtete. Es ist das Schuljahr 2001/2002. Das Buch ist voll mit literarischen Snapshots auf das alltägliche Leben oder den alltäglichen Wahn, der dort herrscht. Cafes in denen man gestern noch mit Freunden zusammensass, weggebombt von Selbstmordattentäter. Frisch angekommene amerikanische jüdische Siedler, die illegal Land in Besitz nehmen. Regierungschefs auf beiden Seiten , welche die religiösen Stimmungen noch aufheizen. Und das Schicksal der Kinder, die dem Treiben der Erwachsenen ausgeliefert sind und der Kriegsrethorik, die jeden Tag aus dem Fernseher oder vom Minarett auf sie ungefiltert niederprasselt.
" Maha meine Kollegin, erzählt mir von ihrer dreijährigen Nichte, die in Bethlehem wohnt und die Besetzung ( damals hiess der Krieg "Schutzschild") der Stadt im März 2002 miterlebt hat. Sie sei so verängstigt und verstört gewesen von dem Lärm der Maschinengewehre, den einschlagenden Kugeln und dem Rollen der Panzer, dass sich die Eltern genötigt sahen, ihrem kleinen Mädchen zu erzählen, das alles sei nur ein Spiel zwischen zwei Mannschaften, ein Wettkampf. Seitdem gehe es dem Mädchen besser." Margret Greiner, Miss, wie buchstabiert man Zukunft?, Malik Verlag ( bei Amazon click hier)
(Canaillo gebrauchte dieselbe Metapher)
Ich kann dieses Buch nur empfehlen, weil es wirklich keiner Seite das Recht zum Töten ausspricht mit irgendeiner kompliziert verbrämten Religiosität oder mit eienm flammendem Nationalismus wie es leider unter den Journalisten der grössten Anthroposophischen Zeitung des Globus so en vogue geworden ist, oder mit einer romantischen Friedenssehnsucht, die nur aus einem tiefen Schuldkomplex heraus entstanden ist. Bester Foersterlieselstil.
H:F:

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

wunderbar lieber Herrmann!!!

ich teile natürlich Eure Meinung daß eine Anthro-Postille für solche politischen Stellungnahmen nicht zuständig ist, noch dazu sind sie auf eine irgendwie sehr deutsche Art (unfähig zum Aushalten von Ambivalenz) papieren und erfahrungslos. Zum Heldentum gehört auch Dumbheit, die sich auf langem Wege schmerzlich stößt und auflöst.

Anonym hat gesagt…

Hermann, Du bringst es auf den Punkt!
Selbst unser Grundgesetz, immerhin 60 Jahre alt, ist weiter entwickelt, als die Köpfe vieler Kommentatoren. Dort heisst es:
Artikel 2 "JEDER hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit"
Viele Grüße Barbara

Anonym hat gesagt…

Na ja, jetzt ist es ja erstmal vorbei. Nur Zukunft buchstabieren kann ich nicht.

Anonym hat gesagt…

Ein schöner text - metaphorisch und ehrlich.
Und vorbei ist noch gar nichts, Annette

TC Kronstadt